Der Volkstribun by Walter Bloem

Der Volkstribun by Walter Bloem

Autor:Walter Bloem [Bloem, Walter]
Die sprache: deu
Format: epub
Herausgeber: SAGA Egmont
veröffentlicht: 2015-10-08T00:00:00+00:00


4.

„Meine Brüder, und du, Schwester Topaea“, begann Jordan seinen Vortrag, „Angiolina und ich haben euch gebeten, wieder einmal in altgewohnter Weise zu vertraulicher Besprechung mit uns zusammenzutreten.

„Ich glaube nicht, dass ich euch viel Neues sage, wenn ich an den Anfang meiner Darlegungen den Satz stelle:

„Die Lage der Republik, welche zwei Jahre lang vor jedem Ansturm feindlicher Mächte bewahrt blieb, beginnt sich erneut zu verdüstern.“

In dem niederen Gemach lastete die brütende Glut des römischen Juli.

Eine hölzerne Ampel mit drei blakenden Öllampen spendete gedämpftes Licht.

Unzählige fette Nachtschmetterlinge schwirrten durch die offenen Fenster herein, taumelten geblendet in die Flamme, ein knisterndes Geräusch, und der versengte Körper fiel mit leise tupfendem Laut auf die Tischplatte, verzuckte in hilflosem Kreiseln.

Die Männer sassen in der gewohnten, ihrem Temperamente mühsam abgerungenen Selbstbeherrschung, welche überall und zu allen Zeiten das Kennzeichen einer herrschensgewohnten Oberschicht war.

Topaea war unsichtbar — hinter ihrem Witwenschleier.

Angiolina hatte Mühe, ihre Nervosität niederzuhalten.

Alle fünf Verwandten lauschten mit gleicher Anspannung.

„Die beiden Kräfte“, fuhr Jordanes fort, „mit denen Rom zu rechnen hatte, waren durch das Kreuzzugsunternehmen in exzentrischer Richtung abgelenkt und vollauf beschäftigt:

„— Papst und römischer König.

„Das Scheitern der frommen Kampagne hat beiden eine schwere Einbusse an Geltung und Ansehen gebracht.

„Es ist anzunehmen, dass sie sich gemeinsam bemühen werden, diesen Verlust wieder hereinzubringen.

„Mein Agent aus Konstantinopel, der soeben eintraf, meldet mir, dass bei seinem Abgange König Konrad selber sich noch dort bei dem Kaiser Manuel aufhielt, dass aber seine Rückkehr über Italien bevorsteht.

„Ich weiss ferner durch meine transalpinen Verbindungen, dass sein Neffe und Vertreter, der sehr tatkräftige junge Herzog Friedrich von Schwaben, bereits in Deutschland eingetroffen ist, um das Reich wieder leidlich in Ordnung zu bringen und — die Romfahrt vorzubereiten.“

Hochauf lauschten die Sippengenossen. Der hitzige Huguizon schlug mit der flachen Hand auf den Tisch.

Um das Bild zu vervollständigen, erinnerte Jordan an die den Verwandten, wie er annehme, schon bekannte Tatsache, dass Papst Eugen aus seinem französischen Exil zurückgekehrt und in seiner alten Residenz Viterbo eingetroffen sei, nur zwei Tagemärsche nördlich der Stadt.

„Dies ist die Lage. Ich frage: Wie beurteilt ihr sie?“

Leo, der Senior des Hauses, erteilte sich selber das Wort.

„Du hast, Bruder Jordanes, mit der Klarheit, die wir an dir immer bewundern, aus der verwickelten Lage deiner Republik die entscheidenden Momente herausgeschält.

„Unsere Familienpolitik hat sich bewährt: das Haus Pierleone hat sich neutral halten können. Nur du, Jordan, stehst an der Gefahrseite. Es wird zu erwägen sein, ob die Stunde gekommen ist, den Rückzug anzutreten.

„Ich für meine Person möchte diese Frage vorläufig verneinen.

„Der Geltungsverlust, den die gescheiterten Kreuzzüge dem Papste wie dem römischen König eingebracht haben, dürfte so gross sein, dass eine Gefährdung deiner Republik bis auf weiteres nicht zu erwarten steht.“

— „Ausgezeichnet!“ dröhnte Huguizon. „Ganz meine Meinung!“

— „Darf ich“, fragte Roger mit seinem gewohnten undurchsichtigen Lächeln, „der Autorität unseres Seniors einige Bedenken entgegensetzen? Mir will scheinen, des geliebten Populus Romanus beginne sich bereits eine gewisse Müdigkeit zu bemächtigen.

„Die Masse ist nicht mehr weit entfernt von der Erkenntnis, dass auch unter der Republik der paradiesische Zustand, in welchem jeder Steinklopfer und Wursthändler mit vier Pferden fahren, getrüffelte



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